AUTOR*innen 2013

Irena Brežná

(c) Mano Strauch
(c) Mano Strauch

Lebt in Basel

 

Bei einer Gesprächs- und Leserunde in der Bücherei von Lenzerheide (Schweiz) sagte die in Bratislava geborene Autorin, dass sie das Wort „Heimat“ nicht mehr hören könne, auch wenn ihr Roman Die undankbare Fremde exakt das beinhaltet, was ein Mensch beim Einwandern eigentlich zu finden versucht.

Sowohl in ihren journalistischen als auch in der erzählenden Literatur ortet Brežnás brillante Sprachform septische Stellen in einer Gesellschaft, die sich unerträglich oft für clean hält. Ihr kritischer und kommentierender Reporterblick verleiht der Belletristik inhaltliche Relevanz und umgekehrt veredelt das schriftstellerische Feilen die Reportagen mit literarischem Glanz.

Brežná erklärte an der besagten Veranstaltung, dass sie durch ihre Texte schon mit „Furie der Nation“, aber auch mit „beste Einwanderin“ betitelt wurde. „Ich füge Dinge zusammen, die eigentlich gar nicht zusammengehören.“ Dazu gehört möglicherweise ihre bissige Ironie, gepaart mit der helvetischen Angst vor dem Humor?

Dass der Schweizer Literaturpreis 2012 ihr gehört, gönnen wir ihr genauso, wie Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher, die Begegnung mit dieser literarischen Stimme.

 

UHA

 

Bücher: Die undankbare Fremde. Roman. Galiani, 2012; Schuppenhaut. Roman. Edition Ebersbach, 2010; Die beste aller Welten. Roman. Edition Ebersbach 2008; Die Wölfinnen von Sernowodsk. Reportagen aus Tschetschenien. 1997; Falsche Mythen. Reportagen aus Mittel- und Osteuropa nach der Wende. 1996; So kam ich unter die Schweizer. Fragmente. 1986; Biro und Barbara. Kinderbuch. Zytglogge Verlag Bern; 1989 www.brezna.ch





Zehra Çırak

© M. Veteto Reese
© M. Veteto Reese

Lebt in Berlin

 

Wissen Sie was Österreich in Türkisch heißt? Avusturya.

Nicht zu verwechseln mit Avustralya, das ist nämlich Australien.

„Zweiatmigkeit“ nennt Zehra Çırak in einem Interview ihr Leben in den beiden Sprachen, dem Türkischen und dem Deutschen: „Wenn ich von Zweiatmigkeit spreche, dann meine ich damit das Doppelleben in der Sprache. Das ist nicht so wie wenn man sprachbegabt ist und mehrere Sprachen sprechen kann. Eher ist es so, als könne die eine Sprache, die sich in ihrer Beherrschbarkeit im Sprachleben ausdrückt und auslebt, dennoch nicht ganz und gar bei der Seelenstimme durchsetzen. Die Seelenstimme ist die türkische Sprache in mir, die ich nicht vollkommen spreche. Doch die deutsche Sprache in mir gibt ihr genügend Luft zum Atmen.“ Die 1960 in Istanbul geborene Schriftstellerin, die Lyrik, Miniaturen und Erzählungen schreibt, in die Schublade „Migrationsliteratur“ zu stecken, wäre sehr kurzatmig gedacht. Ihre Zweiatmigkeit gibt ihr vielmehr die Möglichkeit, ganz genau hinzusehen, doppelbödig und voller Witz. „Ich dichte das, was ich zu dichten habe,“ schreibt sie in Angezogene Gedichte, „und nicht das, was mir gut zu Gesicht stünde.“

 

UW

 

Bücher: Die Kunst der Wissenschaft. Gedichte. 2012; Der Geruch von Glück. Erzählungen. 2011; In Bewegung. Gedichte und Prosaminiaturen. 2008; alle Verlag Hans Schiler, Berlin www.juergen-walter.com, dort unter „Feuilleton“

 


Anne Cunéo

©Axe Yavas
©Axe Yavas

Lebt in Zürich  (Anmerkung der Redaktion: Anne Cunéo ist am 11.2.2015 gestorben)

 

Historische Romane gibt es viele, aber wenige sind so präzise recherchiert wie diejenigen von Anne Cunéo, und wenige suchen sich die an und für sich unspektakulären Themen aus, die sie sich liebevoll auswählt. So etwa ihr aktuelles Buch Schon geht die Welt in Flammen auf, das in der deutschen Übersetzung bei uns seine Österreich-Premiere haben wird: Darin erzählt sie die Geschichte einer Faust-Aufführung im Züricher Schauspielhaus 1940, das damals eines der Zufluchtsorte vieler aus Deutschland geflüchteter Künstler war.

„Ass man Croissants 1940? – In Paris sicher, aber in Zürich?“, bis hin zu solch alltäglichen Dingen recherchierte Anne Cunéo in der Vorbereitung zu ihrem Buch. „Und da wo es dann wirklich Lücken gibt, die man nicht mehr recherchieren kann – da bin ich frei,“ sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln.

Die Autorin schaut auf ein Lebenswerk von zahlreichen Büchern zurück, daneben ebenso zahlreiche Dokumentarfilme und Reportagen. Die französischsprachige (aber charmantestes Deutsch sprechende) Anne Cunéo hat soeben den Titel „Commandeur de l’ordre de Mérite“ (nationaler Verdienstorden) Frankreichs erhalten. Ein Grund mehr, dass wir in Zusammenarbeit mit dem Institut Français Innsbruck auch eine Lesung in Französisch präsentieren dürfen.

Und das mit den Croissants – können Sie sie selber fragen beim Festival!

 

MK

 

Bücher: Schon geht die Welt in Flammen auf. Roman (übersetzt von Erich Liebi). 2013; Eine Welt der Wörter. Roman (übersetzt von Erich Liebi). 2013; Štěpán. Roman (übersetzt von Claudia Steinitz). 2011; Zaida (übersetzt von Erich Liebi). Roman. 2009; alle Bilger Verlag; Garamonds Lehrmeister. Roman. Limmat Verlag, 2007. Französisch (Auswahl): La Tempête des Heures. Roman. 2013; Un monde de mots. Roman. 2011 beide bei Editions Bernard Campiche http://bloc-notes.hautetfort.com

 


Max Goldt

©Billy Hells
©Billy Hells

Lebt in Berlin

 

Er hat ein unnachahmliches Gespür für gute Titel, aber die Inhalte der Bücher sind diesen ebenbürtig. Essays, Glossen, Szenen aus dem alltäglichen Leben, witzig und böse in einem, so zielen sie auf die Welt des allgemeinen Quatschens und Meinens einerseits, andererseits auch auf das Fühlen und Denken dahinter. Bewusstseinskritisch, leichthändig und scharfsinnig, hautnah und augenscheinlich, und endlich bei uns: SPRACHSALZ 2013.Dass Goldt vornehmlich lustig sei, ist ein Missverständnis, wohnt seinen Betrachtungen/Beobachtungen und deren Wiedergabe doch stets ein böser Witz inne (Zitat NZZ: "Goldts mäandernde Monologe bestechen durch ihre genuin literarische Unvorhersehbarkeit"). Max Goldt führt akrobatisch schwebenden Witz und sachtes Dirigat vor Ohren. Er ist ein Arbeiter elegantiarum, ein wachsamer Sprachkritiker, der Klischees und Modefloskeln nicht meidet, er greift diese mit den "Handschuhen der Ironie" (Zitat FAZ) auf und jongliert damit meisterhaft. Max Goldt hört genau in den Alltag und das Alltagsleben hinein, schaut der Alltäglichkeit auf die Finger. Aber ... Zitat FAZ: "Goldts Humorsystem ist primzahlverschlüsselt und lässt sich nicht knacken." "Es ist Goldt, der glänzt" (Zitat: Basler Zeitung). Und beachten Sie bitte: Bedauerlicherweise wird er nur am Samstagabend zu sehen sein, dafür freuen wir uns doppelt auf diesen fulminanten Festabend-Beitrag. HDH

 


Bücher:Die Chefin verzichtet. Rowohlt Berlin, 2012; Nackt in einem Märchenschloss voll wirklich schlechter Menschen. Letternpress Berlin, 2010; Gattin aus Holzabfällen. Rowohlt Berlin, 2010; Vom Zauber des seitlich daran Vorbeigehens. Rowohlt Berlin, 2005; Der Karpfen auf dem Sims – Betrachtungen, Essays u.a. Alexander Fest Verlag Berlin, 2001; Die Kugeln in unseren Köpfen. Haffmans Verlag, 1995; Quitten für die Menschen zwischen Emden und Zittau. Haffmans Verlag, 1993; Mein äußerst schwer erziehbarer schwuler Schwager aus der Schweiz. A-verbal, 1984.      www.katzundgoldt.de/

 


Waltraud Haas

(c) Lucas Cejpek
(c) Lucas Cejpek

Lebt in Wien

 

Als ich Waltraud Haas in den Siebzigerjahren kennenlernte, studierte sie (neben Germanistik und Philosophie) Grafik an der Hochschule für Angewandte Kunst Wien. Aber schon damals war für sie klar, dass sie sich vorwiegend der Literatur widmen würde. Das „grafische Moment“, die Form hat bei ihren Texten jedoch einen ganz besonderen Stellenwert. Bisher veröffentlichte Waltraud Haas vor allem Gedichte, die zumeist nur wenige Zeilen umfassen. Reduktion bis zum Äußersten ist ihr wichtigstes Stilmittel. Vom Erscheinungsbild sind ihre Gedichte luftig, leicht. Dieser erste Eindruck steht jedoch in heftigem Kontrast zu den Bildern, den Empfindungen, dem Klang und den Tönen, die in diesen Gedichten verwendet werden. Hier kommen Verletzlichkeit, traumatische Erlebnisse, zumeist eine völlige Wehrlosigkeit und Verlorenheit zum Ausdruck, in der gleichzeitig das Verlangen nach Helligkeit mitschwingt. In dieser Gegensätzlichkeit haben die Gedichte von Waltraud Haas eine unverwechselbare Eigenständigkeit und Einzigartigkeit und sie strahlen eine ganz besondere Würde aus.

ES

Bücher:

Selbstporträt auf rotem Hintergrund. Gedichte. 2012; Zwerchfellgewitter. Gedichte. 2009 beide im Klever Verlag. Run & Run. Gedichte. Deuticke Verlag 2002 ; Lots Tochter. Gedichte. Vido Wien, 1991. Weiße Wut. Lyrik & Prosa, Wespennest 1995


Alan Kaufman

by permission of AK
by permission of AK

Lebt in San Francisco

 

Alan Kaufman wurde in der Bronx geboren und ist dort aufgewachsen. Seine Mutter war französische Jüdin und Holocaustüberlebende, unter deren Trauma auch die Familie litt. Der Vater war Nachtschichtarbeiter bei der Post. Diesen biografischen Hintergrund sollte man kennen, um die künstlerische Arbeit von Alan (neben der Literatur ist er auch Maler) besser zu verstehen.

Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre entstand in einigen Großstädten der USA eine neue literarische Untergrundbewegung, die von den katastrophalen sozialen Verhältnissen der Reagan- und Bush-Ära geprägt wurde. Rap, Poetry Slams oder Free Speech Zones waren häufig die Plattformen für einen Lyrik-Boom, ausgehend von New York und vor allem San Francisco. Diese neue Dichtergeneration konfrontierte ihr Publikum oft unangekündigt in Cafes oder in den Straßen und Parks mit ihren Texten, sie publizierten auf Handzetteln und in Kleinverlagen, abseits der gängigen Kanäle des Literaturmarktes.

Alan Kaufman, Patricia Smith, Chuck Perkins oder Dave Brinks waren wichtige Vertreter dieser neuen Bewegung, die von benachteiligten Gesellschaftsschichten, den Afro-Amerikanern, den Latinos und Randgruppen wie Schwule, Lesben, Arbeits- und Obdachlose getragen wurde. Ihre Botschaften wurden zum inoffiziellen Nachrichtendienst, zum CNN des Undergrounds, wie Alan Kaufman es bezeichnete.

 

ES

 

Bücher:

Zwangsjackenelegien. Gedichte. edition baes, 2013 (übersetzt von Jürgen Schneider); Drunken Angel. a memoir. Viva Editions 2011; Matches. Roman. Little, Brown and Company, 2005; Jew Boy. Roman. Fromm International 2000; The Outlaw Bible Of American Poetry. (als Herausgeber) Thunder´s Mouth Press, New York 1999 https://www.pen.org/alan-kaufman

 

 


Markus Köhle

© D. Mitterbacher

Lebt in Wien

 

Wo anfangen, bei einem derart multipel begabten Autor wie Markus Köhle? Nicht nur ist er einer der profiliertesten Artisten des Poetry Slam, auch ist er ein ausgezeichneter und geförderter Verfasser von Romanen und Erzählungen. Ein Allzweckdichter, der sich in jedem Teich wohl fühlt. Eine zwischen humanistischer Integrität und postpubertärem Leichtsinn wandelnde Sprachhexe, die sowohl dem Terrorismusparagrafen § 278, als auch dem Wäschenetz mit Reißverschluss den längst verdienten Platz in der Literatur zugewiesen hat.

Markus Köhle moderiert und bespielt ungezählte Poetry Slams zwischen Bern und Wien, ist ständiges Mitglied der Lesebühne Dogma.Chronik.Arschtritt und Redakteur der Literaturzeitschrift DUM.

Was es zu seinem Romanhelden Hanno (Hanno brennt) zu sagen gibt, wird Köhle uns an seinen Lesungen verraten. Nur soviel: "Hanno schreibt gerne Briefe, obwohl es eindeutig mit Anstrengung und dem Bedürfnis, wirklich etwas erzählen zu wollen, verbunden ist."

Selten trifft Verlagswerbung derart zu, wie diejenige aus dem Milena-Verlag: "Leser jubeln über Köhles Charme, Humor und Einfallsreichtum."

Vorhang auf für unseren liebsten Briefeschreiber aus Wien und Erschwindler von Observationsberichten zum internen Dienstgebrauch; Vorhang auf für den sprachberauschten Markus Köhle!

 

 

CS

 

Bücher:

Hanno brennt. Roman. 2012; Dorfdefektmutanten. Roman. 2010; Doppelter Textpresso. Slam Poetry. 2009, alle Milena Verlag, Wien; Bruchharsch. Prosa. Skarabäus Innsbruck, 2008; Riesenradschlag. Briefe aus Wien. edition20er Innsbruck, 2007; Letternletscho. Ein Stabreim-Abcetera. Sisyphus-Verlag, 2004; Couscous a la Beuschl. Roman. Kyrene 2004; Pumpernickel. Erzählungen. Skarabäus 2003; 

Website: www.autohr.at


Matthias Mander

©  Ines Hauser
© Ines Hauser

Lebt in Gerasdorf bei Wien

 

Nachdem ich an der Messe Wien das Buch mit dem Titel Die Holschuld oder Garanaser Filamente (Teil III der Garanas-Trilogie) in die Hand bekommen und gelesen hatte, bemühte ich mich sofort um die früheren Bücher dieses Schriftstellers, genauer gesagt die Romane Der Kasuar, Wüstungen, Der Sog. Jedes dieser Werke ist eine unvergleichliche Bestandsaufnahme und Durchleuchtung der Struktur der Industriegesellschaft der Siebzigerjahre, verfasst in jenem, diesen Jahren innewohnenden Sprachduktus (Zitat NZZ: "Das bestehende als Ausblick, Warnung und Prophetie"). Man kommt nicht umhin, Matthias Manders Werk in eine Reihe mit denen von Heimito von Doderer und Robert Musil zu stellen; eine diesbezügliche Wahrnehmung seitens der Literaturwissenschaft lässt allerdings bislang noch auf sich warten.

Sie werden diesem Autor ja nun persönlich begegnen und dabei auch erfahren, dass auf ihn Verlass ist, was sein Wissen über den Stoff und was die Recherche zu den Büchern und Themen anbelangt. Darin ist er für mich mit Kenzaburo Oe vergleichbar – anlässlich meiner Erfahrung in persönlichen Gesprächen mit beiden.

 

HDH


Bücher:

Die Holschuld oder Garanaser Filamente. Roman. 2012; Der Brückenfall oder Das Drehherz. Roman. 2005; Garanas oder Die Litanei. Roman. 2001; alle Cernin-Verlag Wien; Cilia oder Der Irrgast. Roman. 1993; Der Sog. Roman. 1989; Wüstungen. Roman. 1985; Das Tuch der Geiger. Erzählungen. 1980; Der Kasuar. Roman. 1979; alle Verlag Styria Graz Wien Köln.   www.matthias-mander.at


Hanno Millesi

© Stefan Sandner
© Stefan Sandner

Lebt in Wien

 

 

Wände aus Papier, ein Prosazyklus: Nachdem ich das Buch in die Hände bekommen hatte, wurde ich nicht nur zum eifrigen Leser dieser Arbeit nein ... ich werde seither auch nicht müde auf diesen Schriftsteller und die Qualität seiner Texte hinzuweisen, verfügt er doch über jene besondere Gabe, die in der österreichischen Literaturlandschaft momentan nicht mehr einfach zu finden/entdecken ist. Die Gabe der eigenen Erzählstimme und des eigenen/wiedererkennbaren Erzählstils. Dieses Werk hebt sich wohltuend ab – die Ansprüche anspruchsvoller LeserInnen erfüllend –, hat es doch so gar nichts mit jenen – unter Startauflagengetöse angepriesenen – saisonalen Wucherungen zu schaffen. Während die Qualität der Großverlagsproduktion an der Aufgeblasenheit nach und nach zu Grunde geht, produzieren die kleinen Verlage – wie Luftschacht – Textperlen. Dieser Umstand ist eine gute Gelegenheit, den Wechsel in die Gemeinschaft der mündigen LeserInnen zu vollziehen und sich Büchern wie jenen von Hanno Millesi zuzuwenden. Kein einzelnes seiner Bücher soll hier herausgestellt werden, zu komplex ist dieses Werk, umfasst es neben der Literatur auch Bildende Kunst und Musik. Aber zu den Büchern kann ich sagen, dass diese für mich zu den Glanzleistungen der österreichischen Gegenwartsliteratur zählen.

 

HDH


 

Bücher:

Granturismo. Roman. 2012; Das innere und das äußere Sonnensystem. Prosazyklus. 2010; Der Nachzügler. Roman. 2008; Im Museum der Augenblicke. Roman. 2007; Wände aus Papier. Prosazyklus. 2006; Mythenmacher. Roman. 2005 alle im Luftschacht-Verlag Wien; Primavera. 2001. Ritter Verlag Klagenfurt; Disappearing: Rückzugsvarianten. 1999. Ritter Verlag, Klagenfurt;   www.ignorama.at


Erica Pedretti

© Yvonne Boehler
© Yvonne Boehler

Lebt in La Neuveville

 

Sie repräsentiert nicht nur einen Teil der europäischen Literatur- und Kunstgeschichte, sondern durch ihr Leben auch das verworrene Schicksal des alten Kontinents. Vor dem Leben mit ihrem Mann, dem Künstler Gian Pedretti und fünf Kindern im Engadin und am Bielersee, erlitt sie eine Nachkriegsodyssee von Osteuropa über Deutschland, in die Schweiz nach USA und wieder zurück.

Ihr Werk setzt sich aus all dem Erlebten zusammen, mündend in einer Literatur, die eine außergewöhnliche Ästhetik mit einer existentiell wichtigen Bewältigung verknüpft.

Einmal unterhielten wir uns vor Publikum in St. Moritz und ich fragte sie, warum sie erst seit den 1970er Jahren zu publizieren begann. „Mein Vater schrieb für die Zeitung und er wusste, wie man schreibt. So wie ich schrieb, schreibe man nicht, sagte er. Meine erste Geschichte habe ich verbrannt, weil meine Schwester mich aufmerksam machte, dass das vielleicht meine Eltern lesen könnten.“

Die 1930 in Sternberg (Tschechische Republik) geborene Erica Pedretti erhielt u. a. 1984 den Ingeborg Bachmann-Preis für Das Modell und sein Maler und wurde 2013 mit dem Schweizer Literaturpreis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet.

Übrigens, sie gab dem Publikum am besagten Anlass zu verstehen, dass sie „eigentlich alles andere bei weitem lieber mache als zu schreiben“ ...

Wir freuen uns sehr, dass sie eigens für Sprachsalz in ihrem Leben eine weitere Reise anfügt; diejenige aus der Westschweiz nach Tirol.

 

UHA

 

Bücher:

Fremd genug. Prosa. Insel, 2010; Kuckuckskind oder Was ich ihr unbedingt noch sagen wollte. Roman. 1998; Valerie oder Das unerzogene Auge. Roman. 1986; Engste Heimat. Roman. 1995; alle Suhrkamp Verlag; Mal laut und falsch singen. Prosa. Eremiten-Presse, 1986; Sonnenaufgänge, Sonnenuntergänge. Erzählungen. 1984; Veränderung. Roman. 1977; Harmloses, bitte. Prosa. 1970; Heiliger Sebastian. Roman. 1970; alle Suhrkamp Verlag; Steine oder Die Zertrümmerung von dem Kind Karl und anderen Personen. Hörspiel. Süddeutscher und Norddeutscher Rundfunk, 1976


Hernán Ronsino

© Pocha Silva
© Pocha Silva

Lebt in Buenos Aires

 

Nachdem ich seinen gerade 100 Seiten umfassenden Roman gelesen hatte, wünschte ich mir diesen Autor auf die Sprachsalz-Lesebühne, was letztendlich durch die Unterstützung des Schweizer Ausnahmeverlegers Ricco Bilger gelang; dieser stellte ein weiteres Mal sein untrügliches Gespür unter Beweis und veröffentlichte Letzter Zug nach Buenos Aires (übersetzt von Luis Ruby).

Zum ersten Mal wird Hernán Ronsino im deutschsprachigen Sprachraum nun auch zu hören und sehen sein. Und all jene, die 2010 Michel Butor und dessen Bücher ins LeserInnenherz geschlossen haben, denen wird es mit diesem Autor und dessen schmalen Buch ebenso ergehen, nimmt seine Arbeitsweise doch die Impulse des "Nouveau Roman" wieder auf, jenes sezierende Hineinhorchen in die Geschichten des Hinterlandes, wie in Butors Schlüsselwerk Der Zeitplan oder in Passage de Milan.

Ein Zitat aus dem Tatsachenroman Das Massaker von San Martin (von Rodolfo Walsh) ist der Null-Punkt, von dem aus die Geschichte startet. Ronsinos Sätze fahren in einen hinein wie ein Zug und der Schienenstrang den man hinter sich lässt, verschwindet sogleich wieder. "Eines Tages bleiben die Züge aus. Dann kommt ein Bautrupp. Sechs oder sieben Männer steigen von einem Lastwagen. Sie haben gelbe Helme auf. Sie fangen an, die Geleise herauszureißen. Ich sehe ihnen von hier aus zu."

Freuen Sie sich auf das Buch und diesen besonderen Schriftsteller.

 

HDH

Bücher:

Letzter Zug nach Buenos Aires. Roman (übersetzt von Luis Ruby). Bilger-Verlag Zürich, 2012; Glaxo. Roman. Verlag Cadencia Buenos Aires, 2009; La Descompositión. Roman. Interzona Latinoamericana, 2007; Te Vomitaré De Mi Boca. Erzählungen. Editioral Libris, 2004;

https://www.facebook.com/hernan.ronsino

 


Andre Rudolph

©Peter Löffelholz
©Peter Löffelholz

Lebt in Leipzig

 

Es war im Mai 2010 im stilvollen Ambiente des „Pavillon des Fleurs“ in Meran, als ich Andre Rudolph im Zuge des Meraner Lyrikpreises zum ersten Mal lesen hörte. Erstaunt war ich von seiner sprachlichen Präzision in der Schriftlichkeit wie auch im Vortrag. „Eine lyrische Stimme voll abgründiger Leichtigkeit und selbstironischer Verzweiflung“, urteilte die Jury und verlieh Andre Rudolph den Hauptpreis. Seit damals sind weitere Preise gefolgt.

1975 in Warschau geboren, in Leipzig lebend, arbeitet er auch als Lyrik-Übersetzer aus dem Polnischen. Seine zwei ersten Werke fluglärm über den palästen unsrer restinnerlichkeit und confessional poetry wird er ebenso im Gepäck haben wie einige unveröffentlichte Texte.

 


BSch

 

Bücher:

confessional poetry. Gedichte. 2012; fluglärm über den palästen unsrer restinnerlichkeit. Gedichte. 2009/10; beide luxbooks Wiesbaden

 

 


Bettina Spoerri

©Matthias von Gunten
©Matthias von Gunten

Lebt in Zürich

 

"Ich könnte einfach verschwinden. Leah ist auch verschwunden. Aber sie hat Spuren hinterlassen, einen Sohn, Großkinder. Ihre Töne auf Musikaufnahmen. Und ihre Tagebücher."

Anna befindet sich "schon zu lange" in einem Zustand der Unentschiedenheit. Mit beherrschter Neugier nähert sie sich den Tagebüchern ihrer kürzlich verstorbenen Großtante Leah, die jene zwischen 1925 und 1948 geschrieben hat. Sie lernt die Cellistin, deren Strenge und Härte sie früher eingeschüchtert haben, als eine Frau sehen, die viel durchgemacht hat: Drei Kontinente, drei Ehen, oft prekäre Lebensumstände. "Es verschlug Leah immer wieder woanders hin, doch irgendwann fand sie wieder den Boden unter den Füßen, suchte sich ihren Platz, trotz allem."

Die Erkundung von Leahs Leben öffnet Anna nicht nur eine Tür zu den Gedanken und Gefühlen ihres verschlossenen Vaters, auch eine Tür zu sich selbst. Ein Roman, den man in einer versöhnlichen Stimmung weglegt, um später erstaunt festzustellen, wie sanft und unprätentiös hier potenziell pompöse Themen wie familiäre Geheimniskrämereien und Lebensmut entfaltet werden.

 

Bettina Spoerri ist im Literaturbetrieb sowohl als Autorin von Kurzgeschichten und journalistischen Texten, wie auch als Veranstalterin fest verwurzelt. Konzert für die Unerschrockenen ist ihr Romandebüt.

 

CS

Bücher: 

Konzert für die Unerschrockenen. Roman. Braumüller, Wien 2013: www.seismograf.ch

 


Michael Stavarič

©Claudia Schumann
©Claudia Schumann

Lebt in Wien

 

Gäbe es eine völlig unwissenschaftliche Enzyklopädie der Romanciers, so wäre Michael Stavarič bei den Mikrokosmoliten und dort in der Untergruppe der Fragmentarier zu finden. Was allerdings nicht bedeuten soll, dass Stavarič haarspalterisch Erbsen zählt und dabei den Blick für das große Ganze verliert. Er erzählt Geschichten von Liebe, Verrat, Tod und der Kindheit. Seine Romane inszenieren Immobilienmaklerinnen, Metzgerinnen oder Zoohändler, Waisenkinder, Tiere, Brandstifter, Schwerenöter und mehr oder weniger toughe Frauen – immer mit einem Blick auch fürs Über-Reale.

„Michael Stavaričs Schreiben“ so Beate Tröger im Chamisso-Magazin Nr. 7/März 2012 „ereignet und entwickelt sich zwischen Gegensätzen und Spannungsverhältnissen, zwischen Rückgriffen auf Erzählmuster und der Abkehr von ihnen, zwischen anarchischer Spontaneität und Reflexion, zwischen einem Verwirbeln und Ordnen der Worte.“

 

Ein besonderes Anliegen des 1972 in Brno/Tschechien geborenen und heute in Wien lebenden Autors sind außerdem seine Bilderbücher, die – wie auch die Romane – vielfach ausgezeichnet wurden und so schöne Titel wie Gaggalagu, Gloria nach Adam Riese oder Die kleine Sensenfrau tragen.

 

UW

 

Bücher:

Königreich der Schatten. Roman. 2013; Brenntage. Roman. 2011; beide C.H.Beck München; Gloria nach Adam Riese. Kinderbuch Luftschacht Wien, 2012; Böse Spiele. Roman. dtv-Taschenbücher München, 2011; Nadelstreif & Tintenzisch. Ein Bestiarium. Haymon Innsbruck, 2011;  www.facebook.com/stavaric


Ulrike Ulrich

©Ute Schendel
©Ute Schendel

Lebt in Zürich

 

Nehmen wir an, Sie bleiben vor einem Stellenbewerbungstermin im Fahrstuhl stecken. Sie begännen zu schwitzen und die einzige Verbindung zur Außenwelt wäre eine Frauenstimme aus der Gegensprechanlage. Oder stellen Sie sich vor, Sie lägen in einem Magnetresonanz-Tomografen und ließen Ihr Gehirn zwecks Tumorsuche digital in Scheibchen schneiden.

Solche Momente dienen Ulrike Ulrich als Ausgangslagen, um sich in ein Gedankengewusel hineinzuschreiben, voll von sprachlichen Nebenzweigen und Wortströmen, die dann im Lesenden weiter rascheln oder rieseln, als flößen ihre Worte durch die Blutbahnen für die literarische Versorgung.

Ihre Kunst lässt die Schlussfolgerung zu, dass es nur Worten gelingt, in solche Tiefen des Empfindens aus Leid und Lust zu gelangen. In ihren beiden Romanen Fern bleiben und Hinter den Augen veranschaulicht die in Düsseldorf geborene Autorin, dass Eile, Rasen, Pulsieren durch die richtige Wortwahl in jedem Kopf geschaffen werden kann, vorausgesetzt natürlich, dass man sie liest!

Wir freuen uns, dass Ulrike Ulrich uns hier in Hall eine ihrer Textdosis injiziert.

 

UHA


Bücher:

 

Hinter den Augen. Roman. 2013; Fern bleiben. Roman. 2010; beide Luftschacht; Wegen der Hingabe. Prosa. 2009 auf CD Beast of Tittanic Bern; Das Meer. Hörspiel ORF1. 2002; Tiefer gehen. Prosa. In: Kolik 2002; Das habe ich mir größer vorgestellt. Mitherausgeberin Anthologie. Salis, 2011; 60 Jahre Menschenrechte. Mitherausgeberin. Anthologie. Salis, 2008;  www.ulrikeulrich.ch


Klangspuren Spezial

Hauke Piper
Hauke Piper

Der Freitag Abend bringt uns zwei spezielle Klangspuren-Acts:

 

- Um 19 Uhr im großen Kurhaussaal das Konzert des Ensemble Phoenix

Das Ensemble Phoenix aus Basel spielt ein mit dem 1. Preis gekröntes Werk von Nicolas Tzortzis, einem jungen griechischstämmigen Komponisten aus Paris – fein gesponnene, komplexe, nervös geladene Musik –, ein Werk (2. Preis) des jungen Westschweizers Benedikt Hayoz, in dem Textfragmente aus Jean Pauls Die Tonkunst als das höchste Echo und immer wieder musikalische Zitate von Robert Schumann (Papillons, Geister-Variationen) eingeflochten sind. Maxim Seloujanow geht in seiner witzigen labyrinthischen Raummusik unmittelbar auf Jean Paul ein, indem er die Instrumentalisten reihum kurze Paul-Texte sprechen lässt. Das Stück Gesänge der Ferne des Schweizers Balz Trümpy ist von einem der Romantik nahen fließenden Gestus getragen, während Wolfgang Rihms Chiffre II geradezu vor expressiver Energie und vorwärts drängendem Impuls zu explodieren scheint.

 

- Um 21.30 Uhr im Saal 1 ein sehr feiner Programmpunkt

 

Ein Jazz & Poetry Slam für Sprecher und Tenorsaxophon; Jean Paul liefert die Sprache/Sätze/Wörter; Hauke Piper brilliert mit der Ausführung des Kompositionsauftrages und mit Tobias Christl (Sprecher) sowie Andreas Böhlen dürfen Sie zwei Ausnahmekünstler erleben. Sie werden nicht nur überrascht sondern auch begeistert sein: Slam Poetry auf höchster Ebene!

Hauke Piper (Braunschweig): "Meine Urlaubslektüre im Sommer 2012: Jean Pauls Seebuch, jenes Luftschiffer-Logbuch, Deutschland aus der Vogelperspektive und im Detail, mikro und makro. Geeignete Textstellen? Die Fußnoten! Alleine für sich gelesen, rufen sie das "Seebuch" indirekt in Erinnerung, wie eine nicht ganz vollständige Hohlform. Das Saxophon lasse ich segeln, wohin der Wind es treibt, über einer Windrose, die eine zwölftönige Reihe in Ost und West teilt; zwölf Sektoren aus spiralförmig angeordneten transponierten Reihen."

Tobias Christl (Köln): Tobias Christl ist Stimmkünstler und Totalmusiker. Er ist Songwriter, Improvisator, Sprecher, Komponist und Initiator, spielt Klavier, Keyboard, Klarinette und Gitarre. Sein musikalischer Durst hat seinem stimmlichen Ausdruck einen himmelblau weiten Horizont beschert.

Andreas Böhlen (Basel): Der 30-jährige Andreas Böhlen aus Norden in Ostfriesland ist ein begnadeter Musiker, der sich mit seiner Blockflöte den barocken Klängen widmet. Aber er beherrscht auch das Jazz-Saxophon und spielt auf Konzerten in ganz Europa, Japan, Australien und den USA. Zudem produzierte er Musik für verschiedene Radiosender, darunter der NDR und der Deutschlandfunk.

 

 

HDH/ Klangspuren